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  • AutorenbildNorbert Gescher

EuGH: Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten bei Überstundenzuschlägen

Das Bundesarbeitsgericht hatte dem EuGH aus zwei Verfahren Vorlagen zur Frage der Entlohnung von Teilzeitbeschäftigten zugeleitet. Dabei ging es um die Frage des Anspruchs auf Überstundenzuschläge für Teilzeitbeschäftigte eines Anbieters von Heimdialyse und in Teilzeit beschäftigten Pflegekräften.

Die Klägerinnen in den Ausgangsverfahren haben geltend gemacht, sie hätten einen Anspruch gegen die Arbeitgeberin, ihnen gem. des zur Anwendung gelangenden § 10 Nr. 7 MTV für geleistete Überstunden einen Zuschlag zu zahlen oder in ihren Arbeitszeitkonten eine dem Zuschlag entsprechende Zeitgutschrift vorzunehmen. Zudem machen sie wegen der Ungleichbehandlung einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend.

Nach § 10 Nr. 7 MTV besteht ein Anspruch auf die Zahlung von Überstundenzuschlägen nur für Arbeitsstunden vor, die über die kalendermonatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden. Nachdem das erstinstanzliche Gericht die Klage abgewiesen hat, verurteilte das LAG die Arbeitgeberin zu Zeitgutschriften, wies die Klage auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG jedoch ebenfalls ab. Das BAG hat dann zunächst beide Verfahren dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

 

Jetzt hat der EuGH entschieden, dass die tarifvertragliche Regelung in § 10 Nr.7 MTV gegen Art. 157 AEUV, Art. 2 Abs. 1 lit. b Gleichbehandlungs-RL, Art. 4 Abs. 1 Gleichbehandlungs-RL sowie gegen § 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Teilzeit (Teilzeit-RL) verstößt.

Wenn demnach teilzeitbeschäftigte Mitarbeitende die gleiche Anzahl an Stunden arbeiten müssen wie eine vollzeitbeschäftige Pflegekraft, um Überstundenzuschläge zu erhalten, und zwar unabhängig von der individuellen, im Arbeitsvertrag vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit, stelle das für diese eine gegenüber Vollzeitbeschäftigten größere Belastung dar. Die vollzeitbeschäftigte Pflegekraft erhalte bereits für die erste Überstunde den Zuschlag, während dies bei der teilzeitbeschäftigten Pflegekraft nicht der Fall sei. Derartige Regelungen würden zudem einen Anreiz für Arbeitgeber schaffen, Überstunden eher bei Teilzeitbeschäftigten anzuordnen. Schließlich sei darin auch eine mittelbare Diskriminierung von Frauen nach Art. 157 Abs. 1 AEUV, Art. 4 Abs. 1 Gleichbehandlungs-RL zu sehen, da diese bei der Beklagten häufiger in Teilzeit beschäftigt werden.

 

Hinweise RA Dr. Norbert Gescher

 

Das Urteil ist ein weiterer wichtiger Baustein zu fairen Arbeitsbedingungen für Teilzeitbeschäftigte und wird auch Auswirkungen auf die Abgrenzung zwischen Mehrarbeit und Überstunden in anderen Tarifwerken, wie dem TVöD, TVL oder den AVR Caritas haben.

Der EuGH stellt insbesondere klar, dass entsprechende Regelungen nicht dadurch gerechtfertigt werden können, dass sie den Arbeitgeber davon abhalten sollen, für Arbeitnehmer Überstunden anzuordnen, die über die individuell in ihren Arbeitsverträgen vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen und das Ziel haben, zu verhindern, dass Vollzeitbeschäftige gegenüber Teilzeitbeschäftigten schlechter behandelt werden.

 

Gericht:           EuGH

Az:                   C-184/22, C-185/22

Datum:            29.7.2024

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