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AutorenbildNorbert Gescher

BSG: Wegeunfall beim Abholen von Arbeitsschlüsseln und -unterlagen nach einem privaten Wochenendausflug

Die Parteien streiten über die Anerkennung eines Arbeitsunfalls in Form des Wegeunfalls nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII und § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Hintergrund des Rechtsstreites ist ein Verkehrsunfall der Klägerin, bei dem diese einen schweren Gesundheitsschaden erlitten hat. Der Verkehrsunfall ereignete sich auf dem Weg der Klägerin von ihrem Wochenendausflug zu ihrer Privatwohnung, in der die Klägerin die Schlüssel und Unterlagen aufbewahrte, welche zum bevorstehenden Arbeitseinsatz, insbesondere zum Aufschließen des Gemeindezentrums der Kirchengemeinde, in der die Klägerin beruflich tätig ist, erforderlich waren.

 

Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung des Unfalls als einen Arbeitsunfall ab. Die durch die Klägerin erhobene Klage sowie die Berufung blieben ohne Erfolg.

 

Gegen die Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen legte die Klägerin Revision ein, in welcher die Klägerin die Verletzung des § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII und § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII kritisierte. Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie durch ihren Arbeitgeber verpflichtet gewesen sei, die Schlüssel sowie die erforderlichen Unterlagen in ihrer privaten Wohnung aufzubewahren. Der Weg zur Abholung dieser Gegenstände müsse demnach als ein Arbeitsunfall gewertet werden.

 

Die gegen die vorinstanzliche Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen eingelegte Revision der Klägerin hatte teilweisen Erfolg. Die Entscheidung der Vorinstanz des LSG Nordrhein-Westfalen ist aufzuheben. Ob es sich jedoch im vorliegenden Fall um einen Arbeitsunfall handelt, konnte aufgrund unzureichender Feststellung der Vorinstanzen von Seiten des Bundessozialgerichtes nicht beurteilt werden.

 

Das BSG gab jedoch zu erkennen, dass sich die Klägerin auf einen versicherten Betriebsweg befunden habe, sollte diese den Weg zu ihrer privaten Wohnung aufgrund einer Weisung ihres Arbeitgebers zurückgelegt haben, um die erforderlichen Arbeitsutensilien abzuholen.

 

Sollte eine solche Weisung des Arbeitgebers nicht vorliegen, ist ein Arbeitsunfall in Form des Wegeunfalls jedoch nicht ausgeschlossen. Ein Wegeunfall liege nach Ansicht des BSG auch ohne das Vorliegen einer entsprechenden Weisung des Arbeitgebers vor, wenn die Klägerin für die Arbeitsaufnahme und Ausübung ihrer Tätigkeit essenziell erforderliche Arbeitsutensilien in ihrer privaten Wohnung aufbewahrte und diese für ihren Arbeitseinsatz abholen wollte.

 

Die hierfür erforderlichen Feststellungen zur Bewertung, ob ein Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII vorliegt, muss nun durch die Vorinstanz LSG Nordrhein-Westfalen nachgeholt werden.

 

Hinweise von Paula Diegelmann:

 

Das BSG grenzt sich in seiner Entscheidung maßgebend von der Entscheidung der Vorinstanz ab. Letztere hatte eine Erweiterung des Tatbestandes des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII um die Zurücklegung eines dritten Weges und den damit einhergehenden Versicherungsschutz von Arbeitnehmenden durch die Berufsgenossenschaft abgelehnt. Die Entscheidung des BSG, dass auch Wege zu einem dritten Ort als versicherter Betriebsweg anerkannt werden, wenn diese auf Weisung des Arbeitgebers oder zur Abholung von Arbeitsmaterialien zurückgelegt werden, welche für die Verrichtung der Arbeitstätigkeit von essentzieller Bedeutung sind, stellt einen wichtigen Schritt für einen besseren Versicherungsschutz von Arbeitnehmenden dar.

 

Gericht:          BSG

AZ:                  B 2 U 15/22 R

Datum:           26.09.2024

 

 

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